Der Überführung der »Agni-III«
ins Arsenal der Streitkräfte steht wohl
nichts mehr im Wege
Foto: AP
|
Indien hat Anfang Februar überraschend Bereitschaft
signalisiert, mit dem Nachbarn und »Erzfeind« Pakistan den
seit fast anderthalb Jahren unterbrochenen umfassenden
Dialog zu allen bilateralen Problemen wieder anzuschieben.
Nach dem Terrorschlag vom November 2008 in Mumbai hatte eine
diplomatische Eiszeit im Nachbarschaftsverhältnis begonnen,
weil fast alle Spuren des Blutbades mit über 160 Toten nach
Pakistan führten. Was Neu-Delhi nun veranlaßte, doch
Friedensgespräche für opportun zu halten, ist nicht ganz
klar. Aber Druck aus Washington dürfte dabei keine
untergeordnete Rolle gespielt haben. Noch im Februar könnten
erste offizielle Gespräche beginnen.
Mitten in die Vorbereitungen auf dieses regionale
Großereignis ließ Indien am Sonntag zwar keine Bombe
platzen, doch eine Mittelstreckenrakete vom Typ »Agni-III«
starten, die einen nuklearen Sprengkopf tragen und
chinesisches Territorium im Raum Schanghai sowie natürlich
alle Städte in Pakistan erreichen kann. Schwer vorstellbar,
daß dieses Timing reiner Zufall war. Eher eine indische
Andeutung, mit Islamabad von einer Position der Stärke aus
verhandeln zu wollen.
Wie auch immer, vom »Bilderbuchflug« der Rakete zeigten sich
Politiker, Militärs, Raketenexperten und natürlich die
Medien gleichermaßen begeistert. Einige bewerteten ihn sogar
als »Beweis der Reife des indischen nuklearen
Abschreckungsprogramms«. Dr. W. Selvamurthy, Chefkontrolleur
bei der Organisation für Forschung und Entwicklung im
Verteidigungssektor (DRDO), erklärte, da Indien sich der
Doktrin verpflichtet sehe, keinen nuklearen Erstschlag zu
führen, brauche es eine robuste Zweitschlag-Fähigkeit, um
mit gleicher Münze zurückschlagen zu können. Indien sollte
deshalb in der Lage sein, Raketen vom Typ »Agni-III« an
Orten zu stationieren, wo man sie nicht entdecken kann. Der
Überführung dieses Waffensystems ins Arsenal der
Streitkräfte steht wohl jetzt nichts mehr im Wege.
Zweifellos spornt der Erfolg vom Sonntag – es war der dritte
gelungene Testflug in Folge – die indischen Raketentechniker
an, die »Agni«-Serie fortzusetzen und zu vervollkommnen. V.K.
Saraswat, wissenschaftlicher Berater im
Verteidigungsministerium in Neu-Delhi, gab die Richtung vor:
»Dieser Start ist für die DRDO ein Sprungbrett, die nächste
ballistische Mittelstreckenrakete Agni-V in Angriff zu
nehmen.« Laut Medienberichten soll »Agni-V« dank seiner
Reichweite von 5000 Kilometer tief im Innern der VR China
liegende Gebiete treffen können.
Einem Bericht der Times of India war zu entnehmen, daß mit »Agni-III«
zudem eine »starke strategische Botschaft« an die gesamte
Region des Indischen Ozeans gerichtet werden soll. Neu-Delhi
signalisiere damit seine Bereitschaft, eine größere Rolle
als Sicherheitsfaktor in dieser Region zu spielen. Indien
habe eigene »legitime Sicherheitsbesorgnisse«, besonders
weil China seine strategischen Marine-Bewegungen im Indik
intensiviert habe und seine Streitkräfte rapide
modernisiere. Deshalb kontere Indien mit einem massiveren
Aufbau der Militärstrukturen an der 4057 Kilometer langen
Grenze zwischen beiden Staaten. Dazu gehörten zwei neuen
Gebirgsjägerdivisionen mit 35000 Soldaten sowie die
Stationierung von »Suchoi«-Abfangjägern im Nordosten
Indiens. Das sowie »„Agni-III« und die noch nicht getestete
»Agni-V« reflektiere die »Abschreckungshaltung« gegenüber
Peking. Die Zeitung verweist, ohne Bezug auf die
Militärkooperation zwischen Washington und Neu-Delhi zu
nehmen, auch darauf, daß die USA die VR China militärisch
unter Kontrolle halten möchten. Unerwähnt bleiben freilich
die Pentagon-Absichten, dabei Indien als Gegengewicht zu
China einzuspannen.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/02-10/038.php