Junge Welt                                01.07.2009 / Ausland / Seite 7            

Uruguays Frente formiert sich

Exguerillero José Mujica als Präsidentschaftskandidat des Linksbündnisses gewählt

Von Stefan Peters

Mit der Bestimmung der Präsidentschaftskandidaten der uruguayischen Parteien in den Vorwahlen vom vergangenen Sonntag, ging die erste Etappe eines langen Wahlkampfs in Uruguay zu Ende. 2,6 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, jeweils innerhalb einer Partei ihren Favoriten für die am 25. Oktober stattfindenden Präsidentschaftswahlen auszuwählen. Die Wahlbeteiligung bei den »internas« blieb mit zirka 40 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurück. Größere Überraschungen blieben aus.

Daß es einen Personalwechsel im höchsten Staatsamt geben wird, war bereits vor dem Sonntag sicher. Der amtierende Präsident Tabaré Vázquez (Frente Amplio/FA) entschied sich dagegen, den Weg einer Verfassungsänderung einzuschlagen, um sich eine Wiederwahl zu ermöglichen. Die Entscheidung um den nächsten Präsidentschaftskandidaten der regierenden Linkskoalition mußte nun zwischen dem Exguerillero der Tupamaros José »Pepe« Mujica und dem ehemaligen Wirtschafts- und Finanzminister (2005–2007) Danilo Astori ausgefochten werden. Wie erwartet setzte sich Mujica mit 52 Prozent der Stimmen gegen seinen innerparteilichen Kontrahenten Astori durch, der knapp 40 Prozent erhielt. Der dritte Kandidat, Marcos Carámbula, blieb mit acht Prozent chancenlos. Sichtlich bemüht, die vorausgegangenen parteiinternen Auseinandersetzungen zu vergessen, widmete Mujica seine ersten Worte auf der Pressekonferenz dem unterlegenden Astori, der aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. »Der einzige, der hier fehlt, ist unser kranker Compañero. Wir brauchen seine Anwesenheit, sein Engagement, seine Beteiligung und alles, was er repräsentiert, für alles, was noch zu tun ist.« Er bot Astori indirekt an, als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten in den Wahlkampf ziehen.

Beide Politiker gehörten schon vor der Kabinettsumbildung Anfang 2008 der Regierung an und trugen die pragmatische Politik der Regierung Vázquez mit. Mujica vertritt einen national-populären Kurs, fordert stärkere staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, setzt sich für eine Ausweitung des Bildungssektors ein und repräsentiert mit seiner politischen Vergangenheit die traditionellen Werte seiner Partei als soziale Bewegung. Im Vorwahlkampf fiel er jedoch auch mit autoritären Äußerungen zur inneren Sicherheit auf. Astori hingegen steht für einen pragmatischen, sozial-liberalen Kurs und spricht sich unter anderem für eine Zusammenarbeit mit den internationalen Finanzorganisationen und den Abschluß eines Freihandelsvertrags mit den USA aus.

Die Tatsache, daß die oppositionelle Partido Nacional (PN) in ihren »internas« ähnlich viele Wähler mobilisieren konnte wie die FA, nährten indes erneut Befürchtungen innerhalb der Frente, daß die Wahlen im Oktober mit einer Niederlage für die Mitte-Links-Regierung enden könnten. Daß trotz hohen Wirtschaftswachstums, Reduzierung der Armutsrate und Verringerung der Arbeitslosigkeit die Wiederwahl der FA in Frage steht, liegt sowohl an der Enttäuschung seitens relevanter Teile der Parteibasis über fehlendes Tempo und zu geringe Reichweite der Reformen als auch daran, daß es nicht gelang, einen Kandidaten zu finden, der die verschiedenen Strömungen innerhalb der FA integrieren kann.

Antreten wird Mujica gegen die Kandidaten der beiden traditionellen Parteien, bei denen sich wie erwartet Expräsident Luis Alberto Lacalle (1990–1995) von der (PN) und Pedro Bordaberry von der Partido Colorado (PC) durchsetzen konnten. Beide Kandidaten vertreten ein eindeutig neoliberales Programm. Alles deutet auf eine Entscheidung zwischen Mujica und Lacalle hin. Aussichten auf einen Sieg im ersten Wahlgang werden nur Mujica eingeräumt. Der Ausgang einer möglichen Stichwahl ist hingegen offen.

Uruguay steht vor einer politischen Richtungsentscheidung. Mujica würde eher eine Kontinuität der aktuellen Regierungspolitik als einen radikalen Wandel bedeuten. Mit Lacalle hingegen stünden einige der sozialpolitischen Errungenschaften der aktuellen Regierung zur Disposition.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/07-01/029.php