Differenzen unter Maoisten

Nepals regierende Partei debattiert ihre künftige Strategie

Von Hilmar König, Neu-Delhi
 
In Nepal tagt seit vergangener Woche die Nationalkonferenz der KP Nepals (Maoistisch). Vor allem die konträren Auffassungen des Parteichefs Pushpa Kamal Dahal Prachanda, der zugleich Premierminister der Republik ist, und des Leiters der Abteilung für Organisationsfragen der Partei, Mohan Vaidya Kiran, zur künftigen Staatsform haben bereits für Schlagzeilen gesorgt.

Die Gruppe um Prachanda will das bürgerlich-demokratische System der Republik, das ja noch in den Kinderschuhen steckt, konsolidieren, entwickeln und ausbauen, »die demokratische Bundesrepublik institutionalisieren«. Das schließt ein, den Prozeß der Ausarbeitung einer Verfassung, der gerade begonnen hat, voranzutreiben, andere politische Formationen und breite Teile der Bevölkerung einzubeziehen, die Erfahrungen mit anderen Parteien in der Regierungskoalition für ein Bürgerbündnis zu nutzen und den 2006 eingeleiteten Friedensprozeß Schritt für Schritt zu vollenden. Das klingt vernünftig und ist den bestehenden Verhältnissen angemessen, die von einer scharfen Opposition der Partei Nepali Congress geprägt werden. Zudem befindet sich die KPN(M) selbst noch in einem Lernprozeß, in der Übergangsphase von einer Guerillaorganisation zu einer verantwortungsbewußten Partei, die das Mandat der Wählermehrheit zu erfüllen hat, nach dem Sturz der Monarchie nun die Geschicke der Nation zu leiten. Prachanda scheint sich dessen voll bewußt zu sein.

Die Gruppe um Mohan Vaidya Kiran vertritt die Meinung, das Ziel der Schaffung einer Bundesrepublik sei erreicht, die Übergangsphase sei beendet, jetzt gehe es um mehr: Auf der Tagesordnung stehe die Gründung einer Volksrepublik, die von einer »Volksrevolte« initiiert und unterstützt werden müsse. Die Führungsrolle hätten, obwohl Kiran das nicht formuliert, die Maoisten zu übernehmen. Praktisch würde dies bedeuten, daß das Regierungsbündnis mit der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten) und mit Madhesi-Vertretern aus der südlichen Terai-Region sofort zerbrechen würde. Auf eine solche Chance zur Rückkehr an die Macht wartet jedoch der Nepali Congress nur. Die Maoisten würden jegliche Glaubwürdigkeit bezüglich ihrer Haltung zu einem demokratischen Mehrparteiensystem verlieren, sich isolieren, einen Großteil der Wähler vor den Kopf stoßen und dem Friedensprozeß ein vorzeitiges unrühmliches Ende bereiten.

Mohan Vaidya Kiran hatte 2004 dafür plädiert, gemeinsam mit König Gyanendra den »Nationalismus zu stärken«, mit einer provokatorischen Stoßrichtung gegen den starken Nachbarn Indien. Sein damaliger Gegenspieler war Baburam Bhattarai, der jetzige Vizepremier und Finanzminister, der eine Allianz mit anderen politischen Parteien und Indien gegen die Monarchie für eine Republik favorisierte. Diese Linie setzte sich schließlich auch durch, nachdem der König geputscht hatte. Ihr Resultat war das Friedensabkommen vom November 2006, der Sturz der Monarchie, Wahlen zum Verfassungskonvent und die Proklamation der Bundesrepublik.

Die aktuellen unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der KP Nepals (Maoistisch) sind bereits auf der letzten Nationalkonferenz in 21 Guppen, die von 1 200 maoistischen Kadern gebildet worden waren, debattiert worden. In 19 Gruppen gab es eine Mehrheit für Prachandas strategische Vorstellungen, in zwei Gruppen setzten sich Kirans Ansichten durch. Damit waren auf demokratische Art und Weise die Weichen für ein politisches Grundsatzdokument gestellt. Damit befaßte sich am Dienstag das ZK der KPN(M). Nun soll die Nationalkonferenz dieses umfassende Strategiepapier absegnen.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2008/11-27/036.php