Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Irak, die für den 16.
Januar 2010 vorgesehen sind, hat sich ein Bündnis
schiitischer Parteien in Bagdad zusammengeschlossen. Die
Irakische Nationale Allianz (INA), die sich am Sonntag der
Öffentlichkeit präsentierte, versammelt nach eigenen Angaben
neben dem Hohen Islamischen Rat im Irak (ISCI) auch
Vertreter der Bewegung von Muqtada Al-Sadr, der
Fadhila-Partei sowie den säkularen Irakischen
Nationalkongreß (INC) von Ahmed Chalabi unter einem Dach.
Mit dabei sind auch sunnitische Stammesvertreter aus der
Provinz Anbar (Erretungsrat) und ein Rat sunnitischer
Geistlicher aus der südirakischen Stadt Basra. INA soll das
bisherige schiitische Wahlbündnis der Vereinigten Irakischen
Allianz ablösen, das bei den Wahlen vor vier Jahren 128 der
275 Parlamentssitze gewonnen hatte.
Zum Vorsitzenden wählte die Versammlung den früheren
Ministerpräsidenten Ibrahim Al-Dschafari, der mit seiner
pro-iranischen Dawa-Abspaltung seinen deutlichen Bruch mit
dem Dawa-Flügel des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri
Al-Maliki bewies. Letzterer war der Versammlung
ferngeblieben. »Unseren Brüdern, die aus welchem Grund auch
immer heute nicht bei uns sind, möchten wir sagen, daß wir
uns ihre Beteiligung wünschen«, sagte Al-Dschafari. Auch
Vizepräsident Adil Abdulmehdi (ISCI) wandte sich an die
Abwesenden: »Ich hätte mir gewünscht, daß unsere Brüder von
der Dawa-Partei heute bei uns wären«, wurde er von
Nachrichtenagenturen zitiert.
ISCI ist die stärkste Partei innerhalb der neuen Allianz und
positioniert sich vor den Wahlen in offene Konkurrenz zur
Dawa-Partei und zu Al-Maliki. Bei den Provinzwahlen im
Januar dieses Jahres hatte ISCI in Bagdad und in den
südlichen irakischen Provinzen viele Stimmen an die
Dawa-Partei verloren. Die Wähler quittierten damit die
enorme Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Tatsache,
daß in vier Jahren politischer Verantwortung ISCI viel zur
Konfessionalisierung des Landes, aber wenig für den Ausbau
von Basisdiensten getan hatte. Skeptisch sind viele Iraker
auch über die enge Anbindung von ISCI an den Iran. Die
Organisation war Anfang der 80er Jahre im Nachbarland
gegründet worden. Ihre Miliz der Badr-Brigaden wurde
ebenfalls vom Iran finanziert und ausgebildet.
Ob die Bewegung von Muqtada Al-Sadr dem Bündnis beitreten
wird, ist nach Ansicht von Beobachtern noch nicht
entschieden. Zwar soll es in Teheran zu einem
Versöhnungstreffen zwischen Al-Sadr und dem bisherigen
ISCI-Führer Abdulaziz Al-Hakim gekommen sein, der
schwerkrank ist. Doch sollte Al-Sadr nach zwei Jahren
Abwesenheit in den Irak zurückkehren, könnte es Beobachtern
zufolge zu Brüchen in seiner Bewegung kommen.
Nuri Al-Maliki scheint seine neue Führungsposition im Irak
nach den Wahlen sichern zu wollen, indem er ein Bündnis
jenseits konfessioneller Zugehörigkeiten mit den
sunnitischen Stämmen des Landes sucht, wie in der Provinz
Al-Anbar, in Diyala und Kirkuk bereits geschehen. Ob sich
die angestrebte Zusammenarbeit mit den Kurden auf nationaler
Ebene neu festigen läßt, ist nach den Zerwürfnissen um das
Kirkuk-Referendum und die damit verbundene Erdölfrage offen.
Die Unterschiede zur neuen Allianz INA jedenfalls seien
»massiv«, sagte Al-Maliki-Berater Ali Al-Mussawi, und: »Al-Maliki
will eine richtige nationale Koalition, nicht nur in Worten
sondern auch im Programm und in der Zusammensetzung.«
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/08-26/052.php