Junge Welt  26.08.2009 / Schwerpunkt / Seite 3

Neues Bündnis gegen Al-Maliki

»Irakische Nationale Allianz« will Regierungschef herausfordern

Von Karin Leukefeld
 
Im Vorfeld der Parlamentswahlen im Irak, die für den 16. Januar 2010 vorgesehen sind, hat sich ein Bündnis schiitischer Parteien in Bagdad zusammengeschlossen. Die Irakische Nationale Allianz (INA), die sich am Sonntag der Öffentlichkeit präsentierte, versammelt nach eigenen Angaben neben dem Hohen Islamischen Rat im Irak (ISCI) auch Vertreter der Bewegung von Muqtada Al-Sadr, der Fadhila-Partei sowie den säkularen Irakischen Nationalkongreß (INC) von Ahmed Chalabi unter einem Dach. Mit dabei sind auch sunnitische Stammesvertreter aus der Provinz Anbar (Erretungsrat) und ein Rat sunnitischer Geistlicher aus der südirakischen Stadt Basra. INA soll das bisherige schiitische Wahlbündnis der Vereinigten Irakischen Allianz ablösen, das bei den Wahlen vor vier Jahren 128 der 275 Parlamentssitze gewonnen hatte.

Zum Vorsitzenden wählte die Versammlung den früheren Ministerpräsidenten Ibrahim Al-Dschafari, der mit seiner pro-iranischen Dawa-Abspaltung seinen deutlichen Bruch mit dem Dawa-Flügel des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki bewies. Letzterer war der Versammlung ferngeblieben. »Unseren Brüdern, die aus welchem Grund auch immer heute nicht bei uns sind, möchten wir sagen, daß wir uns ihre Beteiligung wünschen«, sagte Al-Dschafari. Auch Vizepräsident Adil Abdulmehdi (ISCI) wandte sich an die Abwesenden: »Ich hätte mir gewünscht, daß unsere Brüder von der Dawa-Partei heute bei uns wären«, wurde er von Nachrichtenagenturen zitiert.

ISCI ist die stärkste Partei innerhalb der neuen Allianz und positioniert sich vor den Wahlen in offene Konkurrenz zur Dawa-Partei und zu Al-Maliki. Bei den Provinzwahlen im Januar dieses Jahres hatte ISCI in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen viele Stimmen an die Dawa-Partei verloren. Die Wähler quittierten damit die enorme Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Tatsache, daß in vier Jahren politischer Verantwortung ISCI viel zur Konfessionalisierung des Landes, aber wenig für den Ausbau von Basisdiensten getan hatte. Skeptisch sind viele Iraker auch über die enge Anbindung von ISCI an den Iran. Die Organisation war Anfang der 80er Jahre im Nachbarland gegründet worden. Ihre Miliz der Badr-Brigaden wurde ebenfalls vom Iran finanziert und ausgebildet.

Ob die Bewegung von Muqtada Al-Sadr dem Bündnis beitreten wird, ist nach Ansicht von Beobachtern noch nicht entschieden. Zwar soll es in Teheran zu einem Versöhnungstreffen zwischen Al-Sadr und dem bisherigen ISCI-Führer Abdulaziz Al-Hakim gekommen sein, der schwerkrank ist. Doch sollte Al-Sadr nach zwei Jahren Abwesenheit in den Irak zurückkehren, könnte es Beobachtern zufolge zu Brüchen in seiner Bewegung kommen.

Nuri Al-Maliki scheint seine neue Führungsposition im Irak nach den Wahlen sichern zu wollen, indem er ein Bündnis jenseits konfessioneller Zugehörigkeiten mit den sunnitischen Stämmen des Landes sucht, wie in der Provinz Al-Anbar, in Diyala und Kirkuk bereits geschehen. Ob sich die angestrebte Zusammenarbeit mit den Kurden auf nationaler Ebene neu festigen läßt, ist nach den Zerwürfnissen um das Kirkuk-Referendum und die damit verbundene Erdölfrage offen. Die Unterschiede zur neuen Allianz INA jedenfalls seien »massiv«, sagte Al-Maliki-Berater Ali Al-Mussawi, und: »Al-Maliki will eine richtige nationale Koalition, nicht nur in Worten sondern auch im Programm und in der Zusammensetzung.«

Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/08-26/052.php