Zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen haben israelische Polizei und
Sondereinsatzkräfte das palästinensische Beduinendorf Al-Arakib in der
Negev-Wüste überfallen. Alle gerade wiedererrichteten Gebäude wurden zerstört.
Erstmals waren die Wohn- und Arbeitsunterkünfte, Stallungen, Felder und
Olivenhaine der 300 Bewohner am 27. Juli angegriffen worden. Noch am selben
Tag hatte ein Teil der Betroffenen mit Reparatur- und Aufräumarbeiten
begonnen. Sie errichteten einfache Unterkünfte, pflanzten neue Bäume und
unterstrichen so ihren Anspruch auf Grund und Boden von Al-Arakib.
Am vergangenen Mittwoch nun wurden die Dorfbewohner wieder aus ihren
Wohnstätten gezerrt, beleidigt und geschlagen. Die Einsatzkräfte rissen die
neuen Bauten nieder und begruben sämtliche Überreste unter dem Wüstensand.
Sieben Personen wurden festgenommen, darunter das Knessetmitglied Taleb
Al-Sana von der Vereinigten Arabischen Ta’al Liste. Der 49jährige
Rechtsanwalt, ein israelischer Araber beduinischer Herkunft, gehört seit 1992
dem Parlament an – als »dienstältester arabischer Abgeordneter«, so seine
Biographie. Er hatte sich aus Protest gegen den Angriff in einem der Gebäude
verbarrikadiert. Dabei wurde Al-Sana so schwer mißhandelt, daß er in ein
Krankenhaus eingeliefert werden mußte.
Israel bezeichnet Al-Arakib und weitere Beduinendörfer im Negev als »illegal«
und hat angekündigt, alle zu zerstören. Statt dessen sollen ein Wald angelegt
und neue Siedlungen für jüdische Israelis gebaut werden. Unter Berufung auf
entsprechende Äußerungen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werfen
Menschenrechtsgruppen Tel Aviv vor, das Beduinenland im Negev »judaisieren« zu
wollen.
Palästinensische Beduinen lebten in dem Gebiet am nordöstlichen Ende der
Sinaihalbinsel lange vor Gründung des Staates Israel. 1948 und während des
ersten arabisch-israelischen Krieges wurden sie von Tel Aviv vertrieben,
kehrten aber wieder zurück. Seit Jahren führen sie einen Rechtsstreit um die
Eigentumsrechte des Gebietes, der bis heute nicht entschieden ist. Die
Beduinen besitzen zwar die israelische Staatsangehörigkeit, werden offiziell
aber als »Eindringlinge« oder »Landstreicher« bezeichnet. Nach Ansicht der
Regierung helfen Beduinen Waffenschmugglern und illegalen Einwanderern. Auch
deswegen plant die Netanjahu-Regierung, an der Grenze zu Ägypten eine Mauer zu
errichten und die Beduinen in »Sammelstädten« zusammenzulegen. So soll die
komplette Kontrolle durchgesetzt werden.
Auch die im besetzten Westjordanland lebenden Beduinen sind Repressalien
ausgesetzt. Von etwa 500 Familien, die in den 1960iger Jahren in Hadidiya im
Jordantal als Bauern und Hirten lebten, befinden sich dort noch 17, berichtete
in dieser Woche das UN-Informationsnetzwerk IRIN. Diese lebten unter
unwürdigen Bedingungen, ohne Wasser- oder Stromversorgung. Grundsätzlich
können Hilfsorganisationen in dem von Israel als »C-Zone« bezeichneten
militärischen Sperrgebiet kaum agieren. Nunmehr sollen die verbliebenen
Familien in Hadidiya allesamt verschwinden. Ihnen liegen Räumungsbefehle der
israelischen Armee vor
Quelle:
http://www.jungewelt.de/2010/08-07/027.php