Röhren für die Ostseegasleitung die Rußland
mit der BRD verbinden wird
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Mitte März ließ die Weltbank die Alarmglocken läuten. Etwa 3300
Milliarden US-Dollar (2448 Milliarden Euro) müßten einer
Studie zufolge bis zum Jahr 2030 im gesamten
postsowjetischen Raum und Mittelosteuropa investiert werden,
um drohende »schwere Energiekrisen« zu vermeiden. Sollten
nicht unverzüglich umfangreiche Investitionsprogramme in
Angriff genommen werden, könnten schon in »fünf bis sechs«
Jahren anhaltende Energieengpässe auftreten. So gelte es,
das marode Pipelinenetz zu modernisieren. Neue Öl- und
Gasquellen müßten erschlossen und die Energieeffizienz
gesteigert werden.
Allein um die weitere »Verfügbarkeit von Öl, Gas und Kohle
sicherzustellen«, seien demnach Finanzmittel im Umfang von
umgerechnet 1300 Milliarden US-Dollar notwendig. Weitere
1500 Milliarden Dollar müßten in den Ausbau der Stromnetze
gelenkt werden, außerdem gelte es, im genannten Zeitraum
noch 500 Milliarden Dollar in den Ausbau der
Fernwärmeversorgung zu investieren, so die Weltbank-Studie.
Das sind gewaltige Summen. Allein der russische
Gasmonopolist Gasprom müßte demnach jährlich umgerechnet 15
Milliarden US-Dollar aufwenden, um lediglich das
gegenwärtige Produktionsniveau zu halten. Tatsächlich wurden
von Gasprom zwischen 2001 und 2008 aber nur 36 Milliarden
zur Aufrechterhaltung seiner Infrastruktur investiert.
Bliebe das angemahnte Investitionsprogramm aus, könnte die
gesamte postsowjetische Region ab »2030 zum Nettoimporteur
von Erdgas werden«, erklärte der Weltbank-Direktor für
nachhaltige Entwicklung der europäischen und
zentralasiatischen Region, Peter Thomson, bei der
Vorstellung des Berichts am 18. März. Bei dieser Gelegenheit
wies er auf ein eurasisches »Peak-Oil-Szenario« hin: »Sofern
nicht substantielle neue Entdeckungen gemacht werden, könnte
die Ölproduktion der Region in den nächsten zehn bis 15
Jahren ihren Höhepunkt erreichen und dann zu sinken
beginnen.« Gleichzeitig werde in der Region die Nachfrage
nach Elektrizität »um 90 Prozent steigen«, meinte Thomson.
Vielen rohstoffarmen Ländern Osteuropas, die bisher als
Transitländer vom Energietransport profitierten, bereiten
auch die großen Pipelinevorhaben Rußlands, Deutschlands und
Italiens Probleme. Sowohl die Trasse, die russisches Erdgas
durch die Ostsee direkt nach Deutschland liefern soll, aber
auch die geplante »South-Stream«-Gasleitung, die Rußland mit
Bulgarien über das Schwarze Meer verbinden wird, schließen
bisherige Transitländer aus. An der Peripherie der EU droht
so mittelfristig ein Versorgungsnotstand, wie er zuletzt
infolge des »Gaskrieges« zwischen Rußland und der Ukraine
Anfang 2009 zu verzeichnen war. Weite Teile Südosteuropas
waren damals wochenlang von der Versorgung abgeschnitten.
Anfang März kündigte der EU-Energiekommissar Günther
Oettinger ein 2,3 Milliarden Euro umfassendes
Investitionsprogramm an. Doch die Finanzierungszusagen
Brüssels für Osteuropa sind absolut unzureichend. Nur 80
Millionen Euro sind für den Ausbau von sogenannten
Reverse-Flow-Technologien vorgesehen, mittels derer im
Krisenfall Energie von Westeuropa nach Osten befördert
werden könnte. Bisher fließen Öl und Gas nur in eine
Richtung: nach Westen. Den größten Einzelposten in
Oettingers Investitionsprogramm bilden mit 200 Millionen
Euro ohnehin Finanzierungszusagen für die Nabucco-Pipeline.
Das Projekt, das unter Umgehung Rußlands zentralasiatisches
Erdgas über die Türkei bis in die EU befördern soll, ist
immer noch eher ein politisches Gebilde. Oettinger selber
mußte gegenüber der Süddeutschen Zeitung am 25. März
eingestehen, daß sich deren Baubeginn um bis zu vier Jahre
verzögern könnte. Trotz umgehend publizierter Dementis aus
Brüssel, die eine Verzögerung ausschlossen, fehlt Nabucco
immer noch das Gas – also Lieferzusagen von Förderstaaten.
Inzwischen bemühen sich Regierungen Mittelosteuropas um
Eigenhilfe. Am 24. Februar vereinbarten die Mitglieder der
sogenannten Visegrád-Gruppe – einer losen Allianz zwischen
Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn – die
Koordinierung ihrer Energiepolitik. Von einem »Dreieck der
Erdgasversorgung« sprach da der ungarische Ministerpräsident
Gordon Bajnai nach Abschluß der Unterredungen. Das Vorhaben
sieht die Errichtung von Gasverflüssigungsanlagen an der
polnischen Ostseeküste und auf der kroatischen Insel Krik in
der Adria vor, die der Region im Krisenfall
Handlungsspielräume lassen. Das dritte Standbein dieses
Konzeptes soll ausgerechnet Nabucco bilden. Flankiert werden
diese Maßnahmen durch den Ausbau der Pipeline- und
Hochspannungsnetze und der Speicherkapazitäten für Erdgas.
Tschechien, Ungarn und Polen wollen zudem ihrer energetische
Infrastruktur stärker verflechten.
Dies alles schafft die Abhängigkeit von russischen und
zentralasiatischen Energieträgern nicht ab. Also setzt man
ausgerechnet auf Atomkraft. Polen konkretisiert seine Pläne
zum Bau eines Meilers an der Ostseeküste. Ähnliche Planungen
gibt es auch im Baltikum, wo in der Nähe des Anfang 2010
stillgelegten sowjetischen AKW Ignalina ein neues errichtet
werden könnte. Auch Rußland will in seiner Exklave
Kaliningrad einen Atommeiler bauen, der vornehmlich dem
Stromexport in die EU dienen soll. Selbst das von der
Nuklearkatastrophe in Tschernobyl besonders hart getroffene
Belarus trägt sich mit dem Gedanken, an der Grenze zu
Litauen ein AKW zu errichten. Tschechien will zwei neue
Reaktorblöcke im Kraftwerk in Temelin bauen und die Slowakei
setzt auf den Neubau eines Meilers in Bohunice.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/03-31/026.php